Was bleibt 5 Jahre nach Fukushima?

Japan hat die Atomkatastrophe längst nicht bewältigt. Rund 8000 Arbeiter sind ständig im Einsatz um die Atomruine unter Kontrolle zu bringen. Tausende von Menschen leben noch immer in temporären Unterkünften, tausende von Menschen leiden nicht nur an Entwurzelung, sondern vor allem an den Folgen der vielerorts noch viel zu hohen radioaktiven Strahlung. Die Strassenränder sind gesäumt von schwarzen Säcken mit verseuchten Sträuchern und Erde. Wohin damit? Niemand scheint es zu wissen. Dabei versucht das offizielle Japan zu vergessen. Die drittgrösste Industrienation, so scheint es, entwickelt fast schon Routine dabei, nukleare Katastrophen zu vergessen und zu verdrängen. Doch wer Berichte aus Fukushima liest oder die Bilder sieht, der weiss, dass es kein schnelles Vergessen geben kann, weder für die Menschen noch für die Umwelt.

Shoganai, sagen die Japaner_innen dazu – «das lässt sich nicht ändern», «das muss man erdulden». Shoganai ist ein oft benutztes Wort, auch im normalen Leben. Doch seit sich der unsichtbare radioaktive Schleier über das Land gelegt hat, ist rund um Fukushima alles Shoganai.

«Während Japan noch Jahrzehnte damit beschäftig sein dürfte, die Atomruine in Fukushima abzuwracken und einen Anschein von Normalität zu erzeugen, stellt sich für uns weiterhin die Frage, ob wir Lehren aus Fukushima gezogen haben oder noch ziehen werden? Oder schliessen wir uns dem lähmenden Shoganai-Gefühl an?»

Als ich vor 5 Jahren kurz nach dem atomaren Supergau im Namen der Grünen unseren Sorgen und unserem Entsetzen Ausdruck verlieh, hiess es wir ökologischen Parteien würden populistisch versuchen vom Fukushima-Effekt zu profitieren. Doch was hat der Fukushima-Effekt gebracht? Dass vergangene Woche die 1000. Mahnwache vor dem Ensi stattfinden musste, weil es bei uns eben kein Fukushimaeffekt gegeben hat?

Konsequenzen aus Fukushima, so scheint es, haben andere gezogen: allen voran die deutsche Kanzlerin, die nur wenige Monate nach der Katastrophe in Japan die Energiewende ausrief. Und bei uns? Das Alt-AKW Beznau sind mit ihren 47 resp. 45 Betriebsjahren eine Riesengefährdung für unsere Region und die ganze Schweiz, ähnlich wie die AKW Fukushima in Japan vor dem 11. März 2011 und die bürgerliche Politik verhindert bislang nicht nur einen geordneten Ausstieg und eine schweizerische Energiewende, sondern verwehrt sich auch einem Langzeitkonzept mit konkreten Auflagen.

Gleichzeitig erleben wir gerade in diesen Tagen real mit, dass eine Energiewende auf Sparflamme nicht zündet. Das Alpiq-Grounding zeigt: Atomstrom rentiert nicht mehr. Jahrelang hat man mit Dreckstrom dank viel zu tiefen Stilllegungskosten Geld verdient, nun da es sich nicht mehr rechnet, sollen die Atommeiler in die Hände der Bürger_innen übergeben werden nach dem Motto: Verluste sozialisieren, Gewinne privatisieren.

Weltweit explodieren die Investitionen in alternative Energien. Der Aargau aber diskutiert statt investiert. Dadurch haben wir den Anschluss verpasst, dabei waren gerade wir, der Energiekanton Aargau, noch vor 30 Jahren führend in Energiefragen und könnten es auch heute sein.

Alpiq ist tief in den roten Zahlen, die Axpo auf dem Weg nach unten. Damit nicht nur die Verluste sozialisiert werden, sondern die Energiewende konsequent umgesetzt wird, fordern wir eine demokratische Kontrolle über die Politik der Energiekonzerne und einen geordneten Atomausstieg der heute mit Beznau I beginnt und 2029 mit Leibstatt endet. Wenn wir weiter abwarten und ähnlich der Japanischen Regierung zu vergessen versuchen, dann spielen wir nicht nur mit der ständigen Gefahr eines atomaren Umfalls, sondern verpassen auch die Chance für unsere energiewirtschaftliche Zukunft.

Irène Kälin