Fantoche 2019 - einzigartige Bildsprachen

Als Politikerin lebe ich davon, dass sich Menschen ein Bild von mir machen und um sicher zu sein, dass sie ein Bild von mir haben, hänge ich kurz vor den Wahlen ein Bild von mir an den Strassenrand.

Bilder. Wir machen sie uns, wir sehen sie uns an. Und zuweilen finden wir uns in der Position wieder, dass sich andere ein Bild von uns machen. Oft sind diese Bilder Vereinfachungen. Oft werden diese Bilder der Komplexität der Realität nicht gerecht. Und manchmal sind sie auch ganz einfach falsch. Wie das Bild unserer wunderschönen Schweiz als wurmstichiger Apfel. Auch wenn ich als Grüne selbstverständlich der Idee ein Wurm zu sein und wertvolle Arbeit für unsere Erde zu verrichten nicht abgeneigt bin, so wird das Bild davon trotzdem nicht richtiger. Und dass in vielen Bildern der Wurm drin ist, kommt nicht von ungefähr. Denn wenn wir Menschen uns ein Bild machen oder ein Bild von jemandem oder etwas haben, sind diese Bilder im besten Falle Vereinfachungen, im schlechtesten Falle Manipulationen der Wirklichkeit.

Ganz anders der Animationsfilm. Er bricht mit der gängigen Bildsprache, der sich auch sonst Filme bedienen. Er schafft eine eigene Bildsprache. Jeder einzelne Film hat seine ganz einzigartige Bildsprache. Dadurch können Animationsfile überzeichnen ohne überzeichnet zu wirken. Sie können vereinfachen ohne plump oder falsch zu werden.

Ja mehr noch, gerade in der Überzeichnung können Animationsfilme tiefgreifender und subtiler sein als die Realität. Sie können Themen ansprechen, die die Realität übersteigen. Sie können Themen ansprechen, die wir in der Realität kaum verkraften würden und sie können uns den Spiegel vorhalten, so dass wir uns darin besser und wahrheitsgetreuer wiedererkennen als in einem echten Spiegel.
Animationsfilme dürfen fast alles und können alles. Im Animationsfilm gibt es keine falschen Bilder.


«Animierte Filme zeigen uns, wer wir sind, zu sein glauben, sein wollen und sein könnten.»


Und das ist die unglaubliche Kraft dieser Kunstform. Animationsfilme kommen der Realität näher indem sie sich von ihr entfernen.

Und so hoffe ich, dass das Fantoche uns auch dieses Jahr wieder auffordern wird unsere eigenen Bilder zu hinterfragen und uns in den Spiegel schauen lässt, in dem wir sehen, wer wird sind und wer wir sein könnten. Denn das sind die wirklich spannenden Bilder, die Bilder die aufwühlen, die bewegen und die in ihrer Einfachheit komplex sind. Das sind die Bilder, die wir nicht an den Strassenrand hängen können und die uns doch gerechter werden, als diejenigen Bilder, die wir an den Strassenrand hängen.

Irène Kälin